Geschrieben von: Sabine Ruthenfranz
Fachjournalistin Heimtier-Marketing & Katzenmedizin

Das Thema „Nische“ ist in aller Munde. Doch was bedeutet das eigentlich und steckt wirklich so viel Potenzial dahinter, wie alle immer sagen? Fakt ist: Nischen machen vieles leichter und bringen zahlreiche Vorteile mit sich. Denn in einer Zeit, wo es alles immer und überall zu geben scheint, braucht es manchmal mehr als Produktvielfalt, um Kundenbedürfnisse zu befriedigen und Interessenten zu Käufern zu machen. Aber fangen wir einmal vorne an.

Der Begriff Nische bezeichnet umgangssprachlich die „Marktnische“ und kommt aus der Wirtschaftswissenschaft. Sein Ursprung liegt jedoch in der Biologie, denn Darwin führte den Begriff der „ökologischen Nische“ bereits 1859 im Rahmen seines Evolutionskonzepts ein. Und tatsächlich gibt es Ähnlichkeiten zwischen Darwins ökologischer Nische und der Marktnische. Denn auch bei Darwin geht es um eine Spezialisierung: Tiere, die sich ganz besonderen Gegebenheiten in ihrer Umwelt angepasst haben, um dort von weniger Futterkonkurrenz oder Fressfeinden zu profitieren und so ihre Chance auf Überleben erhöhen. Im wirtschaftlichen Umfeld ist es ganz ähnlich: Die Positionierung als Nischenanbieter kann dafür sorgen, dass der Wettbewerbsdruck deutlich sinkt und das gesamte Unternehmen effizienter gesteuert und lukrativer betrieben werden kann. Die vergleichsweise geringere Nachfrage als im Gesamtmarkt bedeutet zwar auch geringere Umsätze. Dennoch ist das Geschäft lukrativ, da weniger Wettbewerber für höhere Gewinnspannen sorgen können. Das klingt doch ganz interessant, oder?

MarktNISCHE oder MarktLÜCKE

Im Gegensatz zur „Marktnische“, welche die Spezialisierung innerhalb eines existierenden Markts beschreibt, ist die „Marktlücke“ regelrechte Pioniersarbeit. Denn hierbei fehlt das Angebot noch komplett auf dem Markt. Das Risiko sich einer echten Marktlücke zu widmen ist dementsprechend um ein vielfaches höher. Viele Unbekannte, wie zum Beispiel die Frage nach dem tatsächlichen Bedarf und der Marktgröße, sorgen für einen Mehraufwand. Außerdem besteht bei Neuentwicklungen die Gefahr von Mitbewerbern überholt zu werden. „Darwin’s Nische“ ist also die bessere Wahl.

Was lockt den Kunden in den Laden? Ein Blick auf den lokalen Handel im „Massenmarkt“…

Das Internet, mit seinem umfangreichen Produktsortiment zu Schnäppchenpreisen, macht es schwer bis unmöglich sich als Preisführer zu positionieren. Dennoch wird, oft auch notgedrungen, versucht preislich mitzuhalten. Ein harter Kampf, den nicht selten die Onlineanbieter gewinnen, da sie schlichtweg zu deutlich besseren Konditionen einkaufen und entsprechend billiger verkaufen können. Kunden kennen und sehen diesen Kampf meist gar nicht und fühlen sich von den teils gravierenden Preisunterschieden regelrecht veralbert.

Ein weiterer Knackpunkt: In zahlreichen, lokalen Fachmärkten finden sich mittlerweile vollkommen identische Sortimente. Fix und fertig zusammengestellt mit hervorragender Lieferfähigkeit. Das ist toll und einfach. Allerdings führen diese Einheitssortimente bei Kunden nicht gerade zu Begeisterungsstürmen. Wenn schon nicht der günstigste Preis in das Ladenlokal locken kann, ist dann das zwar bequeme und etablierte, aber dennoch langweilige Standardsortiment ein Kundenmagnet? Wohl eher nicht.

Und wie sieht es mit guter Beratung aus? Die Vielzahl an Produkten macht es Verkäuferinnen und Verkäufern am Point of Sale auch nicht gerade leicht. Mehr als eine allgemeine, oberflächliche Beratung kann oft nicht erfolgen. Von einer echten Produktempfehlung einmal ganz zu schweigen. Die große Anzahl an Produkten macht es schwer sich tiefergehend mit den jeweiligen Produktvorteilen und Anwendungsgebieten auseinanderzusetzen. Und das wirkt sich auch nachteilig auf den Expertenstatus des Fachgeschäfts aus.

Hapert es also im lokalen Fachgeschäft an Kunden und bewegt man sich zudem auch noch im Massenmarkt, könnte man sich fragen: Liegt es an den zu hohen Preisen, am unattraktiven Sortiment oder an mangelnder Beratung? Praktischerweise sind alle drei Faktoren genau dann ein Problem oder zumindest eine Herausforderung, wenn man sich im Massenmarkt bewegt.

Weshalb es sich lohnen kann anders zu sein!

Eigentlich ist es ganz offensichtlich: Wenn es nicht möglich oder einfach zu schwer ist sich über den Preis positiv abzuheben, muss man eben nach anderen Merkmalen Ausschau halten. Hier kommt wieder die Marktnische ins Spiel. Womit könnte im großen Teich des Zoofachhandels eine Möglichkeit bestehen so „anders“ zu sein, dass es positiv auffällt und Kunden bringt? Und welche Vorteile ergeben sich daraus?

Ein außergewöhnliches Angebot

Ein ausgefallenes Sortiment für eine spezielle Tierart, wäre zum Beispiel eine Möglichkeit. Also weg vom Einerlei des hundertprozentigen Standardsortiments, hin zu (mehr) handverlesenen Produkten, die erwiesenermaßen eine echte Empfehlung für die Halter dieser speziellen Tierart sind. Produkte, die noch nicht so bekannt sind, dass sie noch zum Stöbern einladen und sich der Weg ins lokale Fachgeschäft lohnt.

Experten-Status und Vertrauen

Eine weitere Möglichkeit ist es sich einen Experten-Status aufzubauen. Und das ist gar nicht so schwierig, wie es klingt. Oft gibt es Mitarbeiter, die ohnehin in einem Bereich besonders stark sind, sich außergewöhnlich für etwas interessieren und für ein Thema brennen. In solch einem Fall fehlt nicht mehr viel zum Experten. Das Engagement sich regelmäßig weiterzubilden vorausgesetzt, kann das Wissen dann in Verkaufsgesprächen, Beratungen und Infoabenden an Kunden weitergegeben werden. In Kombination mit passenden Produkten, kann dann die Nische für Rohfleischfütterung von Hunden, Katzentoilettenmanagement (ja, das gibt es wirklich) oder Salzwasseraquarien belegt werden. Sogar durch das bewusste Weglassen von bekannten, aber schlechten Produkten kann ein Alleinstellungsmerkmal sein, welches sich herumspricht.

Mehr treue Kunden und weniger Werbeausgaben

Wer einmal in den Genuss einer guten Beratung gekommen ist und perfekt zugeschnittene Produkte zur Problemlösung erhalten hat, bleibt in der Regel treu. Auch die Begeisterung über ausgefallene Produkte, lässt die Kunden nicht selten zu Stammkunden werden. Ganz besonders, wenn diese woanders nur selten oder nur schwer zu bekommen sind. Und Stammkunden sind in jeder Hinsicht von Vorteil. Denn sie müssen nicht für jeden Kauf mit neuen, kostspieligen Werbemaßnahmen ins Geschäft geholt werden. Sie kommen sogar freiwillig.

Keine Angst vor Wettbewerbern

Wer sich in einer Marktnische positioniert hat, braucht den Wettbewerb nicht (mehr) zu fürchten. Denn es gibt niemanden in der nahen Umgebung, der einem das Wasser reichen kann. Das wiederum sorgt für Spielraum bei der Preisgestaltung und ermöglicht es auch hochwertigere Produkte anzubieten.

Leichtere Platzierung in der Presse

Spannende Produkte und Angebote sind auch für die lokale Presse interessanter. Dementsprechend steigt die Chance für gute PR, da man als Nischenanbieter größeres Interesse weckt und mehr Aufmerksamkeit auf sich zieht.

 Erfolgreich in der Marktnische

Nun wäre es zu viel versprochen „mal eben“ eine Marktnische zu erobern und damit quasi über Nacht erfolgreich Kunden anzuziehen. Wie immer gilt: Ohne Fleiß kein Preis und ohne Plan kein Erfolg. Um eine passende Marktnische zu finden, muss zuerst die Zielgruppe klar sein. Damit es schlussendlich klappt, muss auch der Preis stimmen, damit trotz geringerem Absatz noch genügend Geld in die Kasse kommt.

Sich gedanklich mit der Suche nach einer Nische zu beschäftigen, Möglichkeiten in Erwägung zu ziehen und zumindest einen Teil des Sortiments aus einer Marktnische auszuwählen, kann hingegen schneller funktionieren. Das Internet ist dabei eine wahre Fundgrube, um vom Schreibtisch aus Potenziale für Marktnischen abzuklopfen.

Erschienen in ZoofachTrend 05/2019